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Das Geschäft mit der Angst

Was Eltern bereit sind, für ihre Kinder zu zahlen

Kinderwagen, Kinderklamotten, Kinderessen – alles, was für die Kleinen ist, liegt im Preis deutlich über vergleichbaren Produkten. Liegt das an der Qualität – oder an der Angst der Eltern?

Christine Weißenborn

10.05.2024 - 15:00 Uhr





Düsseldorf.

Sobald sich der Wunsch nach einem Kind ausformt, schleicht sich die Angst ins Leben. Obwohl die Kindersterblichkeit weltweit nie niedriger war als heute, wird die Sorge von Eltern um die Zukunft ihrer Nachkommen immer größer. Und immer größer wird auch das Angebot an Produkten, die diese steigende Sorge nehmen sollen. Dabei steigt vor allem der Preis für Dinge, die Eltern ein Gefühl von Sicherheit versprechen, das ihnen abhandengekommen ist.

Dem Thema Angst nähere ich mich anfangs recht selbstbewusst. Gegen die zu große Sorge um den Nachwuchs fühle ich mich immun. Ich habe selbst vier Kinder. Ich komme aus einer Familie mit vier Kindern, ebenso wie mein Mann.

In unserem Regal stehen wenige Ratgeber, die ich geschenkt bekommen und höchstens mal durchgeblättert habe. Bei einer Frage konsultiere ich meine Mutter oder meine Schwägerin mit ihren wiederum fünf Kindern. Wir sind eine Großfamilie im klassischen Sinne. Wer hier eine Frage zu seinem Nachwuchs hat, bekommt sie innerhalb der Familie oder durch die eigene Lebenserfahrung beantwortet.

Doch während ich für diesen Artikel recherchiere, bröckelt mein Selbstbewusstsein ebenso wie meine anfänglich starke Meinung zum Thema. Weil einfach viel zu viel Wissen, zu viel Meinung, zu viele Produkte, zu viel Statistik, Studien und eben Angst verfügbar ist – und immer seltener jemand, der einem die Dinge ganz praktisch und gespeist aus simpler Lebenserfahrung einordnet.



Aller Anfang ist schwer



Ich mache mich also auf, um der Angst zu begegnen. Ich will wissen, wer sie ist, wo sie herkommt, warum sie immer größer wird und was man machen kann, damit sie wieder verschwindet. Ich reise an den Anfang des Lebens. Zur Hebamme Ulrike Le Guern.

„Der Pragmatismus ist weg“, beklagt sie. „Wer ein Kind bekommen möchte, muss ans Leben glauben.“ Doch das schafft kaum einer mehr. Denn das Leben besteht längst aus ziemlich vielen Produkten.

Ein Kind kostet nach Angaben des Bundesverbands deutscher Kinderausstattungs-Hersteller, kurz BDKH, monatlich etwa 630 Euro. Bis zum 18. Lebensjahr kommen da locker

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Euro

zusammen. Doch während in Deutschland inzwischen jedes fünfte Kind und jeder vierte junge Erwachsene als armutsgefährdet gilt, „gibt das familiäre Umfeld pro Kind im Schnitt von Jahr zu Jahr mehr Geld aus“, heißt es beim BDKH. In Deutschland waren das 2022 rund 7,65 Milliarden. Euro. Das entspricht 3,4 Prozent mehr als im Vorjahr.

Allein zwei Milliarden Euro fließen dabei in die Erstausstattung der Kleinen bis zum zweiten Lebensjahr. Die Geburtenrate aber hat im letzten Jahr einen historischen Tiefstand erreicht. Heißt: Für immer weniger Kinder gibt es immer mehr Dinge.

Das zeigen auch Berechnungen des Statistischen Bundesamts. Im Jahr 2018 gaben Eltern aus dem unteren Zehntel der Haushaltsnettoeinkommen im Schnitt 424 Euro monatlich für ihr Kind aus – in Familien aus den obersten zehn Prozent war es mit 1212 Euro fast dreimal so viel. Vor allem für die Gesundheitspflege sind wohlhabende Eltern bereit, tief in die Tasche zu greifen. Sie investieren monatlich mit 113 Euro knapp elf Mal so viel wie Eltern, die als arm gelten.

Den Trend zur Angst, vor allem beim Thema Gesundheit, bestätigt auch Hebamme Le Guern. Während ihr Job bedeutet, dem Leben auf die Sprünge zu helfen, trifft sie inzwischen immer öfter auf Eltern, die kaum noch einen Hopser zulassen. Weil ihnen das Risiko zu groß ist, dass etwas schiefgeht.

Die Angst beginnt schon, bevor das Kind kommt

Wer heute einen Kinderwunsch verspürt, bekommt als Frau sofort „Othomol Natal Pre“ vorgeschlagen. Auch bei meinem Frauenarzt liegen ausreichend Proben herum, die in knalligem Blau mit „wichtigen Nährstoffen bei Kinderwunsch“ locken. Der unverbindliche Verkaufspreis liegt bei 44,99 Euro. Eine Packung reicht für drei Monate. Wer nicht sofort schwanger wird, aber an das Produkt ebenso wie an eine Schwangerschaft glaubt, ist im Jahr um die 200 Euro los.

Auch der Mann hat sich zum attraktiven Sujet für die Industrie gemausert. Für 144,99 Euro kann er beim Präparat „Orthomol Fertil plus“ zulangen. Der Hersteller wirbt mit dem Slogan „Endlich Papa werden. Ich freue mich drauf“.

Während der Schwangerschaft dann liest sich das Menü möglicher Kontrolltests beim Frauenarzt wie eine Karte im China-Restaurant. Hunderte Euro sind dort im Verlauf der etwa 40 Schwangerschaftswochen schnell ausgegeben. Für 3D- und 4D-Ultraschallbilder, für Blutuntersuchungen und umfangreiche pränatale Diagnostik.

Mehr: Warum könnte das neue Elterngeld Frauen benachteiligen?

Nicht wenige dieser Untersuchungen hantieren im Ergebnis mit Wahrscheinlichkeiten. Was aber tun, wenn ein Ergebnis von der Norm abweicht? Dass es die Möglichkeiten zur Vorsorge gibt, ist großartig. Gedacht sind sie aber eigentlich für jene schwangeren Frauen, für die Embryonen und Föten, denen das Leben Steine in die Spur schiebt. Nicht für die, bei denen alles so läuft, wie die Natur es ziemlich schlau eingefädelt hat.

Wer aber soll bei einem solchen Überangebot an Leistung noch beurteilen, welche Untersuchung sinnvoll und welche einfach nur teuer ist? Und wenn es die Leistungen gibt, dann besteht doch auch eine reelle Gefahr. Oder nicht?

Einfach mal wieder das Hirn einschalten.

... wünscht sich Hebamme Le Guern . Doch das ist leichter gesagt als getan. Denn rund um die Angst hat sich eine Industrie entwickelt, die bereits vor der Zeugung suggeriert, dass die berühmte natürlichste Sache der Welt vor allem eins ist: teuer.

Der Zustand der Sorge, der moderne Eltern plagt, offenbart dabei ein viel größeres Problem als einfach nur das irrationale Schwarzmalen überbehütender Mamas und Papas. Es zeigt, wie verzerrt heutzutage Informationen bezogen werden. Es verdeutlicht, wie wenig nur noch zwischen den Generationen kommuniziert wird. Es malt ein Bild des Misstrauens gegenüber jenen, deren Job es ist, für Stabilität beim Großwerden zu sorgen: Kinderärzte, Kindergärten, Schulen, Familienmitglieder.

„Angst ist natürlich“, sagt Benny Briesemeister, Psychologe und Experte auf dem Gebiet „Neuromarketing“. Schon vor der Geburt ändert sich der Hormonhaushalt beider Eltern und bereitet sie darauf vor, ein Kind großzuziehen. Vor allem das Kuschelhormon Oxytozin sprudelt und setzt einen ganzen Kreislauf biologischer Funktionsweisen in Gang, die im Ergebnis dafür sorgen, dass die Bereitschaft steigt, den Nachwuchs gegen Gefahren zu verteidigen.

Doch heute kommen noch zwei weitere Faktoren hinzu. „Wir wissen um so viele Gefahrenquellen wie noch nie“, sagt Neurowissenschaftler Briesemeister. Und es dringen vor allem negative Nachrichten zu uns. Die steigern das Gefühl von potenzieller Bedrohung. Und sie bringen die Kassen zum Klingeln.

Denn da Eltern aufgrund ihrer Oxytozin-Produktion auf alles abfahren, was Risiko eindämmt, finden sie jene Marken, die Sicherheit suggerieren, besonders attraktiv. „Je stärker das Werteversprechen von Marken ist, desto eher sind Eltern bereit, dafür Geld auszugeben“, sagt Briesemeister.

Für ihn hat es deshalb klare biologische Ursachen, dass Eltern grundsätzlich vorsichtiger, restriktiver und ängstlicher geworden sind, „Eltern hatten schon immer Angst“, sagt er. „Aber die Industrie hat sich stärker drauf eingestellt.“

Kontrolle ist gut, Sicherheit ist alles



Einer Studie des Onlinehändlers Alibaba zufolge wird erwartet, dass sich der Markt vor allem für Babysicherheitsprodukte bis 2033 auf 415 Milliarden Dollar gegenüber heute annähernd verdoppeln dürfte. Besonders beliebt: Baby-Sicherheitssitze, Baby-Überwachungsgeräte, Baby-Möbelschutz und Baby-Leinen.

Aber auch im Ernährungsbereich haben die großen Hersteller den Trend zum Elterntaler längst erkannt. Ob Apfelmus oder Rosine, ob Riegel oder Reiswaffel: Sobald das Produkt im Regal für Kinder steht und am besten noch ein Empfehlungssiegel von Hebammen oder anderen Experten darauf prangt, zahlen Eltern bereitwillig etliche Euro mehr. Bis 2028 soll sich der globale Markt für Bio-Babynahrung von rund sechs Milliarden Dollar im Jahr 2021 auf etwa zwölf Milliarden Dollar verdoppeln. Das haben Berechnungen des Marktforschungsinstituts Fortune Business Insights ergeben.

Um den Kunden möglichst früh zu binden und anschließend zu halten, bieten immer mehr Hersteller multifunktionale Produkte an

Bei Autokindersitzherstellern wie Cybex finden sich längst auch Kinderwagen und Buggies, die untereinander kompatibel sind. Der Kinderwagenhersteller Bugaboo wiederum hat inzwischen Autokindersitze, aber auch Reisebetten und Hochstühle im Angebot. Ein „Bugaboo Giraffe All In Set“, im Grunde nichts weiter als ein einfacher Hochstuhl, ist für 603,75 Euro zu haben.

Das Unternehmen Stokke, einst Hochstuhl-Vorreiter, Multifunktions-Vordenker und Hersteller jener bunten Holztreppenstühle, die in vielen Haushalten gar nicht mehr ausziehen, weil ewig benutzbar, setzt längst auch auf Kinderwagen, Babytragen und Babywannen. Die „Stokke Flexi Bath“ etwa gibt es für 79 Euro. Dazu erhältlich der „Stokke Flexi Bath Stand“ für noch mal 79 Euro.

Der Ständer für die Wanne wird beim Hersteller beworben mit dem Sprüchlein: „Sicherheit geht vor: mit rutschfesten Füßen und bedienfreundlichem Schiebeverschluss für extra Sicherheit“. Der passende Neugeborenen-Einsatz kostet 24 Euro, der wärmeempfindliche „Stokke Flexi Bath Stöpsel“ kommt mit neun Euro fast günstig daher. Man könnte aber auch einfach die Hand ins Wasser halten und wüsste dann, ob man darin ein Baby baden kann oder nicht. 

Kinder werden größer – die Angst wächst mit



Aber im Dschungel der Angebote mutig die Machete zu schwingen und beherzt die sinnlosen Produkte zu kappen fällt eben schwer, wenn es keine eindeutigen Antworten mehr gibt. Wenn das ganze Leben nur noch aus „Stell dir mal vor, was wäre, wenn und du hättest nicht“-Annahmen besteht. Meine Theorie: Ein hoher Preis ersetzt an dieser Stelle die Intuition, weil er glauben macht, teuer sei im Zweifel auch besser.

Ich mache einen Termin mit Dominik de Lange. Er führt gemeinsam mit seiner Frau in fünfter Generation den Kinderausstattungsladen „Baby Kochs“ in der Düsseldorfer Innenstadt. Die pinken Tüten des Ladens sind stadtbekannt. Kunden schätzen vor allem die persönliche Beratung, die sie bei „Baby Kochs“ erhalten.

Auf Instagram veröffentlicht de Lange mit seinem Team inzwischen fast täglich Rat gebende Videos für junge Eltern. Sie sollen bei der Wahl des optimalen Produkts unterstützen. Und sie sollen dabei helfen, nicht den Überblick und aus dem Blick zu verlieren, worauf es beim Kauf eines Kinderwagens oder Kindersitzes wirklich ankommt.

„Die Kunden sind dankbar, wenn man ihnen Information gibt“, erklärt de Lange. Er stellt „eine gewisse Orientierungslosigkeit“ fest, die er auf das große Angebot zurückführt, das sowohl online als auch offline zu finden ist.

Der inhabergeführte Laden existiert seit 1877. Bilder an den Wänden in Dominik de Langes Büro dokumentieren die Geschichte des Familienunternehmens. De Langes Großvater war einer der ersten Einzelhändler in Deutschland, der erkannt hat, dass es einen großen Bedarf an Produkten „rund ums Baby + Kind“ gibt. Seitdem hat sich vieles verändert.

Früher seien die Eltern, oft auch die Großeltern, gekommen und hätten zur Geburt den einen Kinderwagen gekauft, den es eben gab, erzählt de Lange. Die heutigen Eltern haben vor dem Kauf meistens schon im Internet recherchiert. Sie legen Wert auf besondere technische Features.

Wenn man zum ersten Mal Eltern wird, ist man verständlicherweise oft überfordert und weiß nicht, was man tatsächlich benötigt und was nicht.

... sagt Lange. Früher zog man in diesem Fall die eigenen Eltern oder Bekannte zu Rate. Heute fragt man das Internet. Dass dadurch in den letzten Jahren das Sicherheitsbedürfnis enorm gestiegen ist, bestätigt der Düsseldorfer Einzelhändler. Er führt das auf die zahlreichen Studien, Tests und Auswertungen zurück, die etwa beim Kauf eines Autositzes inzwischen eine große Rolle spielen.

Doch mit der Statistik ist das gleichfalls so eine Sache. Denn inzwischen gibt es für alles eine Statistik. Und das verwirrt dann am Ende mehr, als dass es hilft.

Und so kaufen Eltern inzwischen, ohne mit der Wimper zu zucken, Produkte wie den auf einen Staubsauger aufzusetzenden Nasensauger Angel-Vac, die Angelcare Sensormatte, die vor plötzlichem Kindstod bewahren soll, oder das Notfallgerät Life-Vac, das verspricht, sämtliche Angehörige vor dem Ersticken zu retten. Dass jedes dieser Geräte nötig ist, kann jederzeit mit irgendeiner Zahl, einem Video auf der Homepage oder irgendeiner Freunde-von-Freunden-Geschichte belegt werden. Wer sucht, der findet im weiten Web der Lebenshilfewunder.

Besonders pikant an der Sache ist, dass sich nach Sicherheit und Orientierung strebende Eltern heutzutage sehr gerne Rat in Foren, in sozialen Netzwerken und bei reichweitenstarken Influencern holen, die von Marken dafür bezahlt werden, so zu tun, als seien die Produkte, die sie anpreisen, so wichtig, dass man geradezu fahrlässig handelt, wenn man sie nicht kauft. Und da Influencer, Momfluencer oder Kidfluencer als beste Freunde, Buddies und Vorbilder unterwegs sind, glaubt man ihnen das glatt.

„Wir sind Herdentiere“, sagt Psychologe Briesenmeister. Wenn plötzlich rund um ein Produkt ein Hype entsteht, dann deshalb, weil in unserem Feed plötzlich sehr, sehr viele dieses Produkt nutzen.

Alles Virus, oder was?



Die Coronapandemie hat gezeigt, wie es sich anfühlt, wenn Dinge für alle schieflaufen. Die kollektive Bedrohungslage hatte deshalb bei allem Schrecken auch etwas sehr Verbindendes. Geblieben ist eine noch größere Angst vor dem Kontrollverlust in Sachen Gesundheit.

Besonders eindrücklich illustriert diesen Trend ein neues Produkt, das seit dem vergangenen Herbst offiziell zugelassen ist. „Beyfortus“ heißt es und verspricht Neugeborenen-Schutz vor dem RS-Virus.

Laut dem Statistischen Bundesamt lag die absolute Sterblichkeit von Säuglingen, also Kinder unter einem Jahr, im Jahr 2022 bei 2345 Fällen von insgesamt 750.000 Säuglingen. Es starben 30 Säuglinge an RSV, davon hatten maximal zehn Säuglinge keine bekannte Vorerkrankung. Das entspricht einem Sterblichkeitsrisiko von 0,001 Prozent.

Mehr: Finanztipps: Was Sie bei der Familienplanung berücksichtigen sollten

Eine Mutter auf dem Spielplatz erzählt mir, dass sie die 1350 Euro, die die Beyfortus-Gabe kostet, auch auf das Risiko hin bezahlt habe, dass die Krankenkasse davon keinen Cent übernimmt. Ihr Kind wurde in diesem Winter mitten in die Virensaison hineingeboren. Es ist kerngesund zur Welt gekommen. Sie hat trotzdem tief in die Tasche gegriffen.

Die Mutter, mit der ich spreche, ist eine empathische, reflektierte, überaus gut ausgebildete Frau, die sich sehr bewusst ist, wie sie an dieser Stelle mit der Angst tanzt. Sie habe viel zu Beyfortus gelesen. Ihre Kinderärztin habe ihr dann auf Nachfrage dazu geraten, den Säugling zu impfen. Aber hätte ihr die Kinderärztin auch ehrlich abgeraten? Wir sind uns beide einig: vermutlich nicht. Denn was wäre eben, wenn? Dagegen lässt sich nichts Handfestes erwidern.

Und jetzt?



Die Zukunftsforscherin Amy Webb hat einmal gesagt, die größte Bedrohung der Menschheit sei, dass sie verlerne, Dinge selbst zu tun. Bei Eltern lässt sich diese Entwicklung trefflich beobachten.

Die Wiege schaukelt ein Motor, den Schlaf überwacht eine Kamera, der Handy-Wecker erinnert daran, das Baby zu stillen, den Brei kocht der Thermomix (es gibt übrigens inzwischen für 59 Euro auch einen Thermomix für Kinder), den Kinderwagen ruckelt und bremst eine App, den Schulweg überwacht eine Uhr, jede noch so kleine Blessur behandelt ein Medikament.

An und ab welcher Stelle aber sollen Kinder heutzutage das Leben kennenlernen? Und vor allem: Wie sollen ihre Eltern das Leben kennenlernen?

„Eltern müssen loslassen. Im Grunde schon vor der Geburt“, sagt Hebamme Le Guern. Sie empfiehlt genau sechs Dinge für den Start ins Leben: ein mobiles Körbchen und später ein Gitterbett, einen Schlafsack, eine Handvoll Garderobe, einen soliden Kinderwagen und eine Babyschale fürs Auto. „Bloß nicht die teure“, sagt sie. Und bloß nicht mehr.

Und ansonsten? Wünscht sie jungen Eltern, dass sie wieder mehr Mut haben, dem Abenteuer Leben unbeschwerter zu begegnen. Dass nicht die Sorgen vor Überhitzung und Kindstod und mögliche Erkrankungen und schlechte Noten die gemeinsame Reise definieren.

Sondern die Freude darüber, dass ein Mensch auf diesem Planeten gelandet ist. Denn so klimakatastrophal es um diesen auch bestellt sein mag: So sicher war es hier noch nie.

Text: Christine Weißenborn; Redigatur: Sven Prange; Storytelling: Agatha Kremplewski; Bildredaktion: Michel Becker

Bildnachweis: Die Bilder wurden allesamt mithilfe von Midjourney erstellt. 

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